PRINT MACHT GLÜCKLICH

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Interview mit Dr. Marcella Prior-Callwey

Marcella Prior-Callwey hat ein Gespür für Trends. Auch der Callwey-Verlag mit seinen vielfältigen Publikationen ist genau dafür bekannt. Als Verlegerin und Geschäftsführerin lenkt die 47-Jährige die Geschicke des Münchner Verlagshauses. Dort erscheint am 16. Oktober „Die schönsten Einfamilienhäuser aus Backstein“, das in Zusammenarbeit mit der Initiative Bauen mit Backstein und Kopfkunst entstanden ist. Wir haben mit der Verlagschefin über die Faszination Buch, Trends und die Zukunft von Print-Produkten gesprochen.

Frau Prior-Callwey, warum machen Callwey-Bücher glücklich?
Wir sind ganz der Meinung, dass Bücher glücklich machen. Es ist sogar wissenschaftlich nachweisbar: Wer 20 Minuten pro Tag einen längeren zusammenhängenden Text liest – egal, ob in Print oder digital – fährt sein System herunter und die Atmung verbessert sich. Zudem ist nachweisbar, dass sich das Gehirn die Inhalte eines Textes deutlich besser merken kann, wenn man diesen auf einer gedruckten, schön gestalteten Seite liest. Wir sind der Meinung: Ein schönes Buch, das ich auf dem Sofa lese mit einer Tasse Tee dazu, verlängert das Leben und macht viel Freude.
 



Damit widersprechen Sie also der häufig zitierten Prophezeiung, wonach Print tot sei. 
Ja, aber es kommt darauf an, über welche Form von Print wir sprechen. Ich glaube, es muss nicht mehr alles gedruckt werden. Die Qualität ist entscheidend: Es macht unbedingt Sinn, das in Print zu besitzen, was man aufheben möchte, was einen begleiten soll. Das gedruckte Wort in Buchform wird nicht aussterben. Gerade sehen wir bei den sehr jungen Menschen einen großen Trend zu mehr Buchverkäufen. Unter dem Hashtag „Booktok“, werden auf der Social-Media-Plattform TikTok leidenschaftlich Bücher mit viel Emotion vorgestellt. Das ist dann bei den Buchumsätzen spürbar. Wenn es in Richtung Zeitschriften und Zeitung geht, wird es in den nächsten Jahren sicherlich Veränderungen geben. Auch hier ist die Qualität entscheidend. Bei gewissen Magazinen oder beispielsweise der Wochenzeitung „Die Zeit“ sehen wir steigende Abo-Zahlen auch im Print. Fest steht also: Für Print müssen Inhalte besonders und hochwertig sein, eilig Zusammengeworfenes hat hier aus meiner Sicht keine Zukunft. 
 


Sie denken also rund um das Thema Buch langfristig? 
Ja, auf jeden Fall. Auch wenn die Behäbigkeit zunächst einmal als ein Nachteil erscheint. Der Vorteil eines Buches ist aber gerade, dass man nichts mehr ändern kann, wenn die Druckdaten bei der Druckerei liegen. Das Buch hat den Anspruch, auch längere Zeit gültig zu sein. Deshalb muss man vorher intensiver über die Inhalte nachdenken und darüber, welche man weglässt. So haben unsere Bücher – wie beispielsweise das Buch „Die schönsten Einfamilienhäuser in Backstein“ – auch einen kuratierenden Effekt. In einem Zeitalter, in dem Informationen unendlich geworden sind, und damit eben auch ein Stück beliebig, hat es aus unserer Sicht einen immensen Wert, wenn man kuratieren, auswählen, sich beschränken muss, wenn man eben sagen kann: Schau her, das sind die wichtigsten Projekte im Jahr 2023. Die kannst du dir in 50 Jahren immer noch anschauen und weißt dann, damals waren das die stilprägenden architektonischen Bauten im Bereich der Einfamilienhäuser.
 

© Anja Jahn


Wie wählen Sie die Themen für Ihre Bücher aus?
Das Thema grundsätzlich ist immer dann gut, wenn sich genug Leute dafür intensiv interessieren und es eine Fangruppe, eine Community, gibt, die dafür brennt. Dann gibt es kein Thema, das für uns nicht interessant wäre. Ein gutes Beispiel dafür ist „Burger Unser“. Auf mehr als 300 Seiten ist es das große Buch rund ums Thema Burger-Essen und verkauft sich auch nach zehn Jahren immer noch. Das ist ein Idealfall. 



Dann haben Sie den Trend ums Burger-Essen vertieft. Finden Sie Trends oder setzen Sie selbst Trends?
Wir gehen mit offenen Augen durch die Welt. Wir schauen uns schon intensiv an, was gerade interessant zu werden scheint, wo sich spannende Entwicklungen auftun. Das versuchen wir dann zu begleiten, und dem Ganzen einen Push zu geben – im Interior-Bereich war das zum Beispiel das Thema Feng Shui, das der Verlag früh begleitet hat. Wir haben außerdem Autoren, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, die bestimmte Schwerpunkte haben, Trends erspüren und mit uns sprechen. Und ich glaube schon, dass Bücher einen Trend früh befruchten können, aber grundsätzlich wird ein Thema durch Social Media natürlich deutlich schneller getragen.



Begonnen haben Sie im Bereich Architektur, Design und Gartengestaltung, heute ist Ihr Themen-Portfolio hingegen weit gefächert. Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen? 
Diese klare Themenunterteilung haben wir vor einiger Zeit aufgelöst. Wir kommen eher aus dem Fachbuchbereich und haben uns dabei mit den Themen Architektur und Garten beschäftigt. Aber wir haben festgestellt, dass der- oder diejenige, der oder die gern schön wohnt, auch gern Gäste einlädt oder gern kocht. Von daher war die thematische Weitung eine ganz natürliche Entwicklung. Für uns ist die Herangehensweise viel wichtiger: Das Callwey-Buch ist eines, das sich tiefer mit den Dingen beschäftigt, das eine Geschichte erzählt, das anregt zu einem tieferen Verständnis. Wir sind immer dann glücklich, wenn sich bei unseren Lesern das Gefühl einstellt, dass sie bei unseren Büchern einen Nachher-Effekt haben, Zusammenhänge und eine Tiefendimension über die reinen Fakten hinaus erkennen. Und das dargereicht in einer besonderen Gestaltung und Ausstattung, die Freude macht und das unterstützt, was wir erzählen wollen, weil es sich dann auch viel besser verfestigt. Inzwischen findet sich kaum mehr ein Thema, das wir nicht bedienen könnten. Wir haben beispielsweise zuletzt ein Buch über Rennradfahren gemacht, eigentlich ein Thema, das überhaupt nicht bei uns verortet ist. Aber als der ehemalige Playboy-Online-Chef Max Marquardt, der ein hervorragender Radfahrer ist, auf uns zugekommen ist, haben wir ein Team zusammengestellt und gemeinsam den Kosmos hintergründig und witzig dargestellt. Das ist dann auch kein Fremdkörper mehr bei uns. Der Radsport zählt unbedingt zu den schönen Dingen des Lebens – und es kann sehr viel schön sein, wenn man sich in der richtigen Art und Weise damit beschäftigt. 




Sie haben von der schönen Darstellung des Ausgewählten gesprochen. Gehen Wort und Inszenierung bei Ihnen Hand in Hand?
Ja, das muss unbedingt Hand in Hand gehen. Aber wir lieben auch Brüche und Überraschungen. Vorne haben wir gern eine verkürzte Seite. Das ist ein wenig so wie der Theatervorhang, der sich hebt. Dann versuchen wir, einen Bogen von der ersten bis zur letzten Seite zu spannen. Auch da unterscheidet sich ein Buch von einer Website, von einem Social-Media-Feed oder einem Blog, der kein Ende hat. Wir versuchen dem Ganzen einen Rahmen, eine Spannungskurve und somit eine neue Inszenierung zu geben. 

Viele Ihrer Themen, wie etwa Backstein oder Rennrad, sind eher Nischenthemen. Glauben Sie, dass Sie durch die Aufarbeitung, eine andere Inszenierung eine breitere Zielgruppe erreichen können?
Ja, das glaube ich schon. Wir haben immer noch einen sehr lebendigen Buchhandel, in dem die breite Zielgruppe auch unterwegs ist. Wenn wir nun jemanden haben, der überlegt, ein Einfamilienhaus zu bauen, ganz klassisch in die Buchhandlung geht, sich dort umschaut und auf unser Buch stößt, erhält er Inspiration, es mit dem Material Backstein zu versuchen, mit dem er sich vielleicht noch gar nicht auseinandergesetzt hat. Oder die Menschen finden ein Buch, das schon älter ist. Immer wieder erzählen mir Menschen bei der ersten Begegnung welches Callwey Buch sie in ihrem Bücherregal stehen haben. Das freut mich natürlich immer besonders.
 




Zu welchem Buch haben Sie denn zuletzt die größte emotionale Bindung aufgebaut?
Das ist schwer zu sagen, weil wir für all unsere Bücher brennen, und das letzte Programm ist immer das schönste. Viele tolle Autoren liegen uns am Herzen: Ganz aktuell etwa ist ein Buch über iranische Frauen in Vorbereitung, mit 20 Geschichten von gebürtigen Iranerinnen, die nach Deutschland gekommen sind. Was sie über ihre Heimat und deren Verlust erzählen, das berührt mich wirklich sehr. Unser Buch feiert die Schönheit des Lebens und die innere und äußere Schönheit dieser Frauen, die sie haben, die Mode, die sie machen, die Rezepte, die ihnen am Herzen liegen. 


Uns liegt natürlich das Buch „Die schönsten Einfamilienhäuser aus Backstein“ am Herzen. Was macht für Sie den Reiz des Werkes aus? 
Es passt ganz ausgezeichnet ins Portfolio, weil wir uns nach wie vor als Architekturverlag sehen und da genau das wollen, was dieses Buch zu erreichen versucht: ein Verständnis für gute Architektur schaffen. Backstein ist ein großartiges, ressourcenschonendes Material, insofern aus unserer Sicht sehr zeitgemäß und wichtig. Das Einfamilienhaus hat viele negative Seiten, die man ihm zuschreibt, aus Nachhaltigkeits- und Klimasicht oder wegen der Versiegelung der Landschaft. Aber wir sind der Meinung, es ist ein tiefes Bedürfnis der Menschheit, sich sein Haus mit einem Garten drumherum zu bauen. Das trägt zum Glücklichsein all der Menschen bei, die sich danach sehnen und ist insofern wichtig. Und wenn man es baut, soll es eben auch eine besondere Architektur sein, die länger überdauert. Das hat der Designer Werner Aisslinger einmal in einer Diskussion gesagt: Das Nachhaltigste sind gute Qualität und Ästhetik. Sowohl ein Stuhl, der 500 Jahre alt wird, weil man auch nach all den Jahren immer noch so gut darauf sitzen kann, genauso wie ein Gebäude, das nicht im Schnitt nach 25 Jahren wieder abgerissen wird, sondern ein paar hundert Jahre stehen darf, weil es so gut ist. Dabei wollen wir mit dem Buch einen Beitrag leisten: Es wirkt stilbildend und bietet Inspiration für junge Architekten.

 


 


Zum Buch „Die besten Einfamilienhäuser aus Backstein“